„Den Ausgangspunkt bildete die These Hitlers aus dem Jahr 1920, wonach alle Hochkulturen letztendlich ihren Ursprung bei den nordischen Ariern gehabt hätten. Unter der Losung ex septentrione lux, die alle bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnisse quasi auf den Kopf stellte, wurde die Antike als Teil der indogermanischen Geschichte interpretiert und in das deutsche Erbe inkorporiert. Diese herbeiphantasierte Ursprungsthese ermöglichte nicht nur die Aufwertung der vermeintlich „primitiven“ Germanen, die von Heinrich Himmler, der SS und anderen deutschtümelnden Kräften glorifiziert wurden, sondern konnte auch als Rechtfertigung deutscher Expansionsbestrebungen instrumentalisiert werden. Zum„Partei-Evangelium“ stilisiert und in den Rang eines „Staatsdogmas“ erhoben, fand die nordische Ursprungslehre in dem berüchtigten „Rassenkundler“ Hans F. K. Günther ihren radikalsten und einflussreichsten Verfechter. Schulbücher, Lehrschriften, Lexika wie der „Brockhaus“ sowie Gelehrte aus der Archäologie, Althistorie, Klassischen Philologie, Kunst, Pädagogik und Philosophie sorgten für eine enorme Verbreitung des Nordismus im „Dritten Reich“. […] Anknüpfend an die Idealisierung des klassischen Griechenlands, die bereits im 18. Jahrhundert durch Johann Joachim Winckelmann erfolgt war, sahen die Nationalsozialisten eine rassische Identität zwischen den antiken Vorbildern und den deutschen Ariern. Der durch Sport gestählte, mit hohem Intellekt ausgestattete nordische Krieger firmierte zum Schönheitsideal in Kunst und Kultur. […] Platon stilisierte man zum „Denker der Diktatur und des Rassenstaats.“ Zum vorbildlichen Militärstaat für den „Schwarzen Orden“ der SS avancierte Sparta, in dem Heldentum und Opferbereitschaft einer Elite es ermöglicht hätten, die „Rassereinheit“ durch die Züchtung schöner Körper und Ausmerzung von „Minderwertigen“ zu bewahren. […] Hitler fasste unter Verdrehung der Lehren Darwins den Verlauf der Geschichte als „Rassenkampf“ auf, in dem das nordische Abendland gegen die orientalische Gefahr, oder, noch primitiver, Arier gegen Semiten einen permanenten Überlebenskampf ausfochten. Daher richtete sich die Aggression des NS-Staates gegen die Juden, die den „Volkskörper“ unterwandern und zersetzen sowie als „Weltparasit(en)“ in Erscheinung treten würden.“ ⌈6⌉