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Der Fall von Hauff dokumentiert, wie sehr die Idee des Nationalsozialismus die Lehrer der damaligen Zeit und ihre kollegialen Beziehungen prägten und wie sehr die NS-Ideologie Unmenschlichkeit, Härte und Herzlosigkeit an die Stelle von Mitmenschlichkeit, Einsicht und Verständnis rückte. Ein vertrauensvolles Miteinander war unter diesen Voraussetzungen schwer zu verwirklichen. Hier erfahrt ihr mehr über diese, aus heutiger Sicht unehrenhafte Geschichte: 

✎  Beitrag: Ionas Kablitz-Panagiotopoulos, Ludovico Bitzios

Der Fall von Hauff - Diagnose: Blinddarmentzündung

Ihre ersten vier Jahre als Deutsch- und Englischlehrerin an der Deutschen Schule Athen verliefen reibungslos, doch am 27.12.1937 wurde bei ihr eine akute Blinddarmentzündung diagnostiziert, wegen der sie sofort operiert werden musste. Der „Vertrauensdoktor“ der deutschen Gesandtschaft in Athen, Herr Dr. Apostolopoulos, empfahl ihr die Klinik des jüdischen Doktors Müller.

Eine Frage des Überlebens oder Die Klinik von Dr. Müller

Es ist zu vermuten, dass Herr Dr. Apostolopoulos wegen seiner griechischen Wurzeln nicht antisemitisch dachte, sondern ganz im Gegenteil die Ideologie von Metaxas´ Partei schätzte. Unter der Metaxas-Diktatur wurden zwar politische Gegner, vor allem Kommunist_innen und ethnische Minderheiten, nicht aber Juden und Jüdinnen verfolgt. Viele Lehrer, so auch der damalige Direktor der Deutschen Schule Athen, Prof. Dr. Romain, waren entrüstet über die Entscheidung Fräulein von Hauffs sich von einem jüdischen Arzt behandeln zu lassen. Im Jahr 1937 war der Großteil der Deutschen mit dem Gift des Antisemitismus infiziert. Ausschluss und Entrechtung der Juden durch die Nürnberger Gesetzte 1935, sukzessive Verfolgung, Verhaftung und die Reichspogromnacht am 9. November 1938 in Deutschland hatten das Rassenüberlegenheitsgefühl gegenüber Minderheiten gestärkt, was vermutlich die Einstellung ihrer Kollegen gegenüber dem jüdischen Doktor beeinflusste. Fräulein von Hauff, selbst eine stramme Nationalsozialistin, hatte aufgrund der desolaten Verhältnisse des griechischen Gesundheitswesens keine andere Wahl. In einem Schreiben vom 6. April 1939 an den Gesandtschaftsrat Dr. v. Graevenitz betont sie, dass sie „gegen die Inanspruchnahme der Klinik Müller größte Bedenken hegte“ und daher den „Rat der Diakonissin Else Wingold einholte“. Die Ausgaben für den Klinikaufenthalt und die Operation ließ sie sich aus Reichsmitteln rückerstatten.

Eine Krankmeldung mit Folgen

Am Anfang des Schuljahres 1938/1939 hat sie wegen ihres schlechten Gesundheitszustandes beim damaligen Direktor Romain einen Antrag auf Nachurlaub eingereicht, da sie laut ihres Arztes nicht reisefähig gewesen sei. Ihre Rückkehr nach Athen hing auch von den politischen Entwicklungen ab, da es wegen des „feindlichen Verhaltens“ Deutschlands immer mehr Spannungen gab.  Am 17.2.1939 veranstaltete die DSA einen Lehrerball für die griechischen und deutschen Arbeitskräfte der Schule. Dies geschah wahrscheinlich, um die Beziehungen der Lehrer untereinander zu verbessern und um das Bild Deutschlands als Kriegstreiber und Friedensstörer in den Hintergrund zu drängen. Am selben Tag meldete sich Elisabeth von Hauff krank, woraufhin Direktor Romain ihr davon abriet, sich krankzumelden, wenn sie zum Ball gehen wolle, da dies zu „Missverständnissen“ führen könne.

Der Streit mit dem Schulleiter eskaliert

Am 8.5. führte Herr Romain zusammen mit einem Kollegen bezüglich ihres verdächtigen und „hochgradig“ seltsamen Verhaltens ein Gespräch mit Elisabeth. Romain äußerte sein Befremden über Elisabeths merkwürdiges Verhalten und bezog sich auf drei verschiedene Fälle:
1. Fall 23.12.1937, als sie an einer akuten Blinddarmentzündung erkrankte, 2. Fall 27.9.1938, der Antrag auf Nachurlaub, 3. Fall 17.2.1939, die Krankmeldung beim Lehrerball. Letzteres fasste er als besonders beleidigend auf.

Elisabeth fühlte sich während des Gesprächs mit dem Direktor sehr betroffen und war stark davon überzeugt, dass die Vorhaltungen des Direktors keine guten Absichten verfolgten. Anhand des Briefes an Dr.Wrede, den Vorsitzenden des Deutschen Schulvereins in Athen, kann man klar erkennen, dass Elisabeth die Warnung des Direktors als eine eindeutige Drohung auffasste. Am 6. April schrieb Elisabeth an den Nationalsozialistischen Lehrerbund (NSLB). Sie bat um eine Versetzung nach Prag und unterstrich, dass sie wegen der Spannungen keine Absicht mehr habe,  ihren Vertrag mit dem Deutschen Schulverein in Athen zu verlängern.

Entlassung von der DSA

Am 25. Mai schrieb Direktor Romain an die Gesamtverwaltung des NSLB bezüglich des Konflikts zwischen ihm und Elisabeth. Im Brief wird Romains Meinung über Elisabeth deutlich. Er beschreibt sie als hysterisch, „unnationalsozialistisch“, physisch und psychisch gestört und hinterhältig. Die Triebfeder für ihr Verhalten sei laut Romain ein Hasskomplex ihm gegenüber. Letztendlich gewährte die Nationalsozialistische Arbeiterpartei (NSDAP) Direktor Romain, Elisabeth nach Belieben entlassen zu können. Am 17. Juni 1939 schrieb Elisabeth einen kurzen Entschuldigungsbrief an Direktor Romain. Doch der wies diesen barsch ab und bezeichnete ihn als unehrlich und unnötig, wie er ihr auch am 19. Juni 1939 antwortete.

Fünf Monate später, am 18. November 1939, wurde Elisabeth Hermine Helene Emma von Hauff von der Deutschen Schule Athen entlassen. In ihrem Bewährungsgutachten wird nicht empfohlen, sie weiter im deutschen Auslandsschuldienst einzusetzen.

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