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Viktor Pöschl, Lehrer und gleichzeitig SS-Mitglied. Waren die menschenverachtende Einstellungen und Haltungen der SS mit Schule, Bildung und Pädagogik zu vereinbaren? Was bedeutete es möglicherweise für griechische SchülerInnen der damaligen DSA von einem SS-Lehrer unterrichtet zu werden. Wie musste es sich für griechische Schüler angefühlt haben, von Personen unterrichtet zu werden, die davon überzeugt waren, einer höherwertigen Rasse anzugehören. Leider können wir die SchülerInnen der damaligen DSA dazu nicht mehr befragen. Wir wissen aber aus den kurzen Einträgen in den Mitteilungsbüchern der damaligen Zeit, dass es Widerstand unter den SchülerInnen gegen die Besatzer und gegen den Nationalsozialismus an der DSA gab. In einem fiktiven Brief an den Lehrer Pöschl haben wir versucht uns der Problematik anzunähern und aus der Perspektive eines frei erfundenen griechischen Schülers zu schreiben, wie er wohl empfunden haben mochte. Hier erfahrt ihr mehr:

✎  Beitrag: Ludovicos Bitzios, Ionas Kablitz-Panagiotopoulos 

Ein Brief eines fiktiven ehemaligen Schülers der damaligen DSA an Dr. Viktor Pöschl.

Ich muss gestehen, in meiner bisherigen 11-jährigen Schulkarriere habe ich schon so manche schlimmen Lehrer ertragen müssen. Und es fing schon im Kindergarten an. Täglich wurde ich von einer Erzieherin geplagt. Mit ihrer arroganten Art schimpfte sie mich immer, meine Schnürsenkel seien mal wieder offen, ich solle nicht so herumrennen, sonst würde sie mich nicht mehr in die Pause lassen. Und auch in der Grundschule und im Gymnasium gab es keinen Mangel an schlimmen Lehrern, die einen beim geringsten Anlass demütigten.

Sie jedoch, Herr Pöschl, sind eine ganz neue Herausforderung. Mit dem nationalsozialistischen Regime hatte ich es bisher noch nicht zu tun gehabt. Auch wenn mich die Sprachen, also ihre Fächer Latein, Griechisch, Französisch und darüber hinaus auch die Philosophie sehr interessieren, glaube ich nicht, dass es mir ein Vergnügen wäre, sie als Lehrer zu haben. Allein um als Lehrer im Ausland tätig zu sein, müssen sie Mitglied der NSDAP sein.

Dies bestätigt, dass sie der NS-Ideologie zustimmen oder sich zumindest darauf einlassen. Ich kann mir gut vorstellen, dass sich die strenge, autoritäre Art der Nazis auch in ihrem Unterricht widerspiegeln würde und ich habe kein Interesse an einem Unterricht teilzunehmen, bei dem man Angst um seinen Schulabschluss haben muss, wenn man es wagt, die eigene freie Meinung zu äußern oder dem Lehrer zu widersprechen.

Bildquelle: Lebenslauf mit Foto des Lehrers Viktor Pöschl, Schularchiv Deutsche Schule Athen.

Wie stellen Sie sich ihren Unterricht eigentlich vor? Ein Grundprinzip der modernen Pädagogik, die Mäeutik von Sokrates, Ihnen als Philosophielehrer bestimmt bekannt, ist, dass der Schüler selbst zur Erkenntnis gelangen sollte. Wie können Sie erwarten, dass Ihre Schüler Ihnen ihre nationalsozialistische Ideologie einfach nachplappern werden, wenn diese mit gesundem Menschenverstand nicht nachzuvollziehen ist? Und wenn Sie den Schülern nun diese außerordentlich absurde, bestialische und menschenverachtende Weltanschauung vermitteln, müsste dies dann wohl entweder durch monotones Nachsprechen oder unter extremem Druck passieren.

Und wer weiß, wie Sie darauf reagieren würden, falls es tatsächlich jemand wagen würde, für seine Rechte aufzustehen und diese zu verteidigen. Sie sind ja schließlich Mitglied der SS! Wer der Schutzstaffel angehört, ist schließlich durch und durch von der rassistischen NS-Ideologie überzeugt. Ich will mir nicht vorstellen, wie ein Anhänger der SS mit Schülern umgehen würde, die von diesem Kurs abweichen.

DSA24

Bildquelle: Schularchiv Deutsche Schule Athen

Außerdem muss man hinzufügen, dass Sie es bei uns in meiner Klasse gar nicht aushalten würden. Genauso wie ich Sie nicht als Lehrer haben will, wollen Sie mich nicht als Schüler haben. Diese Gefühle beruhen sicherlich auf Gegenseitigkeit.

Ich glaube nicht, dass Sie ihre Superiorität durch die Anwesenheit einer „minderwertigen“ Rasse beschmutzen wollen würden. Es ist allgemein bekannt, dass „entartete“ und „minderwertige Untermenschen“ wie ich auf einer Stufe mit den Bolschewisten und anderen minderwertigen Rassen eingestuft sind.

Leider würden Sie sowieso nicht das Vergnügen haben, mich zu unterrichten. Die einzigen Fächer nämlich, in denen ich laut Ihrer Rassenüberlegenheitsdoktrin und ihren scheinbar wissenschaftlichen, unbestreitbaren, biologischen rassenkundlichen Gesetzen etwas leisten könnte, wären Kunst und Musik. Das griechische Volk ist demnach nur in diesen zwei Bereichen zu etwas tauglich.*

Ich möchte Sie aber letztendlich nicht verurteilen und schuldig sprechen. Ich kann Sie verstehen. Ihre Verachtung gegenüber den Griechen ist nachvollziehbar. Als studierter Philosoph sind sie natürlich mit Platon vertraut und anscheinend sind Sie auch von ihm irgendwie beeinflusst worden. Denn wie Platon einst sagte: „Diejenigen, die zu klug sind, sich in der Politik zu engagieren, werden dadurch bestraft, dass sie von Leuten regiert werden, die dümmer sind als sie selbst.“ Diese Haltung haben Sie sich zunutze gemacht und sich auf die Seite der Regierenden geschlagen. Chapeau!

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