LOGO2

Home / Gesichter/Portraits / SchülerInnen / Katherina / Historische Hintergrundinfos

Deutscher Überfall auf Griechenland und die humanitären Folgen der brutalen Besatzungspolitik

Wie viele Jugendliche ihrer Zeit ist auch Katherina begeistert von der NS-Jugendorganisation für Mädchen, dem Bund Deutscher Mädel, dem sie 1934 beigetreten ist. Ebenso erwähnt sie in ihrem Lebenslauf, dass sie froh war, die deutschen Soldaten im April 1941 bei ihrem Einmarsch in Athen zu begrüßen. Als Katherina im Frühjahr 1942 ihre Reifeprüfung an der damaligen DSA ablegt, ist sie 17 Jahre alt und muss wohl die Folgen der deutschen Besatzung, wie den schrecklichen Hungerwinter 1941/42, miterlebt haben. Warum das nationalsozialistische Deutschland Griechenland eingenommen hat und welche verheerenden Auswirkungen die deutsche Besatzungszeit für Griechenland mit sich brachten, könnt ihr hier erfahren:

✎  Recherche: Alexander Tolias, Nikolaos Votsis, Aristomenis Zeus Kotatis

Strategische Überlegungen Hitlers zur Einnahme Griechenlands

Siegessicher nach den „Blitzsiegen“ gegen Polen und Frankreich, begannen die Deutschen Mitte 1940 mit den operativen Planungen für Hitlers Angriff auf die Sowjetunion. Der Beginn des Feldzugs war für Mai 1941 vorgesehen. Dafür galt es, die Südost-Flanke – den Balkan – mit möglichst geringen Truppenkräften zu sichern und die Überlegenheit der Briten im östlichen Mittelmeerraum, auch zur Sicherung der für den Angriff auf die Sowjetunion dringend benötigten rumänischen Ölvorkommen (die nach Seckendorf¹ 96 % der deutschen Ölimporte deckten), zu minimieren. Nachdem deutsche diplomatische Bemühungen, den griechischen Ministerpräsidenden Ioannis Metaxas mit friedlichen Mitteln von einer Abkehr seines Neutralitätskurses zu überzeugen, gescheitert waren, häuften sich im Herbst 1940 Drohgebärden des „Achsen“– und „Stahlpakt-Partners“ Italien gegen Griechenland (während in Berlin erste Pläne für eine Eroberung Kretas entwickelt wurden). Als am 12. Oktober 1940 deutsche Truppen in Rumänien – absprachegemäß italienischer Einflussbereich – eindrangen, wurde Mussolini davon überrascht. Um Italiens Anspruch auf den Balkan zu bekräftigen und nach der Annexion Albaniens 1939 weitere territoriale Zugewinne zu erlangen, begann am 28. Oktober 1940 der Angriff auf Griechenland (italienischer Überfall). Nach Beginn der griechischen Gegenoffensive und dem Eintreffen erster britischer Truppen in Griechenland und auf Kreta erließ Hitler Mitte Dezember 1940 seinen Angriffsplan für die „Operation Marita“: „…Angesichts der bedrohlichen Lage in Albanien ist es doppelt wichtig, daß englische Bestrebungen, unter dem Schutze einer Balkanfront eine vor allem für Italien, daneben für das rumänische Ölgebiet, gefährliche Luftbasis zu schaffen, vereitelt werden.“ Dazu sei „nach Eintreten günstiger Witterung – voraussichtlich im März – […] über Bulgarien hinweg zur Besitznahme der Ägäischen Nordküste und – sollte dies erforderlich sein – des ganzen griechischen Festlandes anzusetzen.“ (Weisung Nr. 20 vom 13. Dezember 1940, zit. nach Fleischer, S. 55).

Die Deutschen in Athen, 1941. Private Sammlung Georgios Chandrinos, Erinnerungen an die Okkupation in Griechenland↵

Das Dritte Reich erklärt Griechenland den Krieg

Nach dem Scheitern der italienischen Frühjahrsoffensive begannen deutsche Truppen (12. Armee unter Generalfeldmarschall Wilhelm List) am 6. April 1941 ihren völkerrechtswidrigen Überfall auf Griechenland. Wenige Stunden zuvor hatte der deutsche Gesandte in Athen dem griechischen Ministerpräsidenten Alexandros Koryzis (Metaxas war am 29. Januar 1941 überraschend gestorben) die deutsche Kriegserklärung übergeben: „Dem Griechischen Gesandten in Berlin wird zu dieser Stunde durch den Reichsminister des Auswärtigen Amtes eine Note nebst anliegendem Memorandum übergeben. In diesen Schriftstücken wird dargelegt, dass die Griechische Regierung, über deren unneutrales Verhalten seit Beginn dieses Krieges […] zahlreiche aktenmäßige Beweise in den Händen der Reichsregierung seien, durch das Hereinlassen starker englischer Truppen in ihr Land selbst eine Lage herbeigeführt habe, der gegenüber Deutschland nicht länger tatenlos verharren könne. Die Reichsregierung habe daher nunmehr ihren Truppen den Befehl erteilt, die britischen Streitkräfte vom griechischen Boden zu vertreiben…“ (zit. nach Nessou, S. 45).

Die Einnahme Thessalonikis

Nach der Einnahme Thessalonikis am 9. April 1941 folgten weitere deutsche Geländegewinne. Am 21. April 1941 unterzeichnete Georgios Tsolakoglou, Kommandierender General des III. Armeekorps, anstelle des Kommandeurs der Epirus-Armee und gegen den ausdrücklichen Befehl des Oberkommandierenden der griechischen Armee, General Alexandros Papagos, die bedingungslose Kapitulation der griechischen Armee. Um verletzte italienische Befindlichkeiten zu befriedigen, musste diese Prozedur am 23. April 1941, diesmal unter italienischer Beteiligung, wiederholt werden. Die britisch-australisch-neuseeländischen Truppen verließen, nachdem die Verteidigungsstellung an den Thermophylen nicht haltbar war, das Festland.

Am 27. April 1941 nahm die deutsche Wehrmacht Athen ein.

Vorher waren König Georg II. und Teile der griechischen Regierung unter Emmanouil Tsouderos, dessen Vorgänger Koryzis sich am 18. April 1941 erschossen hatte, aus der Stadt geflohen (zunächst nach Kreta, später nach Ägypten). Die am gleichen Tag auf der Akropolis gehisste Hakenkreuzfahne wehte dort – mit einer kurzen Unterbrechung – für die Dauer der Besatzung bis zum 12. Oktober 1944.

Die deutschen Besatzer vor dem Hotel Grande Bretagne in Athen, Fotoarchiv, V. Mitos

Der unprovozierte deutsche Überfall auf Griechenland stellte einen Verstoß gegen den auch vom Deutschen Reich unterzeichneten Briand-Kellogg-Pakt vom 27. August 1928 dar und wurde vom Internationalen Militärgerichtshofs gegen die deutschen Hauptkriegsverbrecher in Nürnberg 1946 entsprechend als völkerrechtswidriges Verbrechen gegen den Frieden verurteilt. Dieser völkerrechtswidrige Angriffskrieg war die Voraussetzung für die Griechenland, seiner Wirtschaft und seiner Zivilbevölkerung während der deutschen Besatzung von 1941 bis 1944 (auf Kreta auch darüber hinaus) zugefügten materiellen und menschlichen Schäden und einer Vielzahl von dort verübten Kriegs- und Besatzungsverbrechen.

Quelle: Sabine Bade, Deutscher Überfall auf Griechenland, Gedenkorte Europa↵, aufgerufen am 22.02.2020.

Fleischer, Hagen: Im Kreuzschatten der Mächte – Griechenland 1941-1944, Frankfurt/M. 1986; Nessou, Anestis: Griechenland 1941-1944, Deutsche Besatzungspolitik und Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung – eine Beurteilung nach dem Völkerrecht, Göttingen 2009; Seckendorf, Martin: Überfall beschlossen, in: junge Welt vom 14.12.2015 (www.jungewelt.de/2015/12-14/056.php); de.wikipedia.org/wiki/Balkanfeldzug_(1941)

Humanitäre Katastrophe

Die deutsche Besatzung in Griechenland↵ (1941-1944/45) forderte mehr Opfer als in allen anderen nichtslawischen Ländern. Das Land durchlitt eine lang anhaltende Besatzung durch drei verschiedene feindliche Mächte (Deutschland, Italien bis September 1943 und Bulgarien) und als Ergebnis davon eine neue innere Spaltung sowie einen darauffolgenden Bürgerkrieg.

Hungerndes Kind in Athen, 1942. Private Sammlung Georgios Chandrinos, Hungersnot, Erinnerungen an die Okkupation in Griechenland.

Wesentliche Opfergruppen sind die zahlreichen Hungertoten (über 100.000 allein im ersten Besatzungswinter 1941/42), die 60.000 deportierten und ermordeten griechischen Juden sowie die schätzungsweise 70.000 bis 80.000 Griechen (zumeist Zivilisten), die in Folge von Widerstandshandlungen und insbesondere von Vergeltungsmaßnahmen getötet worden sind. Hunderte griechische Dörfer wurden zerstört. In den Archiven befinden sich Unmengen von Bildern, die die Gesichter der Hungernden von Athen zeigen. Bei ihrem Abzug im Herbst 1944 hinterließ die Wehrmacht ein zerstörtes Land: Jeder dritte Grieche litt an epidemischen Infektionskrankheiten (Malaria, Tuberkulose, Typhus); in manchen Regionen waren 60 bis 70 Prozent betroffen, insbesondere Kinder. Kaum zu schätzen sind die Verluste durch die Hyperinflation sowie die Zerstörung der Infrastruktur als Folge von raubwirtschaftlicher Ausbeutung (Bergwerke, Wälder etc.) und systematischer Vernichtung bei Sühnemaßnahmen oder während des Abzugs der Wehrmacht.

Von deutschen Truppen beim Abzug gesprengte Eisenbahnbrücke Gorgopotamos. Private Sammlung Georgios Chandrinos, Ausmaß der Verwüstung, Erinnerungen an die Okkupation in Griechenland.

Die meisten Eisenbahnbrücken waren gesprengt, weit über 80 Prozent des rollenden Materials ruiniert oder beschlagnahmt, 73 Prozent der Handelstonnage waren versenkt, fast 200.000 Häuser total oder zu großem Teil zerstört. Damit verlor Griechenland 7,2% seiner Vorkriegsbevölkerung. Nach einem Bericht der griechischen Regierung, der während des Nürnberger Prozesses gegen die Hauptkriegsverbrecher vorgelegt wurde, wurden ungefähr 91.000 griechische Geiseln von deutschen Besatzungsstreitkräften erschossen. Bei »Sühnemaßnahmen« gegen die Einwohner von Dörfern und Städten wie Kalavryta oder Distomo töteten Wehrmachts- und SS-Einheiten rund 30.000 Zivilpersonen zur Vergeltung angeblicher oder tatsächlicher Partisanenangriffe. Diese Schätzungen sind vermutlich zu niedrig. Die »Besatzungsökonomie« ist mit Repressalien gegen Zivilisten, mit der Totalausbeutung des Landes, mit der Inflationspolitik, deren Folge der Schwarzmarkt war, und der rapiden Verarmung breiter Bevölkerungsmassen verbunden.

Quelle: Anna Maria Droumpouki, Das Massaker von Distomo (10.06.1944).
Belastendes Erbe eines unbewältigten NS-Verbrechens vom
Kriegsende bis heute, Zeitschrift für Genozidforschung, Jg.16, S 196f.

Deutsche Schule Athen

Dimokritou 6 & Germanikis Scholis Athinon GR

151 23 Maroussi

Telefonzentrale: (+30) 210 6199260-5,

neu (+30) 211 7774500

Fax: (+30) 210 619 9267

E-Mail: sekretariat@dsathen.gr