Schon in sehr jungem Alter, noch bevor ich der Hitlerjugend beigetreten bin, wurde mir die Doktrin der Überlegenheit unserer Rasse gelehrt. Der reinrassige Arier und kein anderer war würdig genug, diese Welt zu beerben; nicht der Jude, der zur Korruptheit und demnach zur Kalamität beigetragen hat. Als ich dann mit 13 Jahren ein Mitglied der HJ war, wurde mein Nationalgefühl noch extremer gefördert: „Der nationalsozialistische Staat verstand sich als die Verkörperung des ‚jungen‘ Deutschland“ und „sah in der Jugend den wichtigsten Träger einer politisch-soldatischen Zukunftsgestaltung“2. Deswegen war es unerlässlich, die Jugendlichen dem Idealbild eines guten Nationalsozialisten anzupassen. Im Jugendverband, also der HJ, wurden die Schüler gegenüber der nationalsozialistischen Regierung und dem Führer immer treuer, fanatischer, nationalistischer und schließlich auch radikaler. Insbesondere in Bezug zur Rassenlehre entwickelten die Jugendlichen, unter ihnen auch ich, eine gewisse Kriegsfreudigkeit, da der Sieg im Kriegsfall heißen würde, dass erstens die arische Rasse ihren rechtmäßigen Platz in der Welt einnehmen würde und zweitens, dass man dem ganzen Bösen auf dieser Welt ein Ende setzen würde. Dann brach der Krieg aus und eine Euphorie durchdrang alle Jugendlichen, mich eingeschlossen, denn endlich bot sich die Chance, unsere Meilensteine zu erreichen. Doch unsere Freude war kurzlebig.
Als die Alliierten unsere Heimatfront erreichten, wurde langsam das wahre Ausmaß des Terrors des Krieges deutlich. Während meiner Zeit in der HJ stand die Kriegslehre immer im Mittelpunkt. „Es ist eine Notwendigkeit“ wurde uns vermittelt, „Ein Sturm, der sowohl Klarheit schafft, als auch für Reinigung sorgt; es liegt in der Natur des Menschen und ist unvermeidlich.“3 Als ich aus erster Hand Zeuge der Schrecken des Kriegs wurde, erwiesen sich die Behauptungen der Nationalsozialisten als unverschämt falsch. Es war dies der Zeitpunkt, dass ich zum ersten Mal in meinem Leben die NS-Ideologie anzweifelte und realisierte, dass ein weiterer ausschlaggebender Grund für die Kriegsfreudigkeit unsere jugendliche Ignoranz war, in Bezug auf das, was Krieg überhaupt bedeutet. Dennoch gab es sture Mitglieder der HJ, die den Krieg stattdessen als eine edle und heroische Angelegenheit bezeichneten.