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Angeliki hat sich intensiv mit Markus und seiner Gedankenwelt, die in einem erschreckend hohem Maß von der NS Ideologie beeinflusst war, auseinandergsetzt. Hier findet ihr eine Replik (Entgegegnung) Angelikis auf die Themenstellung der Reifeprüfung im Fach Deutsch „Bedarf der Staat einer Aristokratie“ und auf den aus heutiger Sicht höchst bedenklichen und unakzeptablen Reifeprüfungsaufsatz von Markus aus dem Jahr 1944. Das Faksimile (Originaltext) der Reifeprüfung des Schülers Markus findet ihr im Archiv.

✎  Beitrag: Angeliki-Maria Karagianni

Thema: Bedarf ein Staat einer Aristokratie?

Markus verherrlicht in seinem Reifeprüfungsaufsatz des Jahres 1944 die Rassenideologie des Nationalsozialismus. Heute, mehr als 75 Jahre später, würde eine solche Antwort als menschenverachtend und rassistisch abgelehnt und sogar strafrechtlich verfolgt werden. An der Antwort des Schülers Markus kann man also sehr deutlich erkennen, welche gefährlichen Auswirkungen das nationalsozialistische Gedankengut und die Indoktrination auf damalige Schüler_innen und Jugendliche hatten. Viele übernahmen unreflektiert die brutalen und abscheulichen Ansichten der Nationalsozialisten und integrierten diese in ihre eigene Vorstellungswelt. Eine erschreckende Unmenschlich- und Gewissenlosigkeit war weit verbreitet, die eine rücksichtslose Verfolgung Andersdenkender und die Vernichtung von Mitmenschen, die nicht dem Ideal der Volksgemeinschaft entsprachen, möglich machten. Rückblickend ist es für uns schockierend zu sehen, wie vergiftet die Sprache und das Denken waren. Ob die jungen Menschen damals in den Reifeprüfungsaufsätzen tatsächlich ihre Meinung Kund kundtaten oder gezwungenermaßen das schrieben, was das Regime von Abiturienten erwartete, entzieht sich leider unserer Kenntnis.

Warum wir nicht wegsehen dürfen!

Als Schüler_innen des 21. Jahrhunderts haben wir das Glück, unter einer freiheitlich demokratischen Staatsordnung in einem friedlich vereinten Europa zu leben. Diese Ordnung ist den Grundprinzipien der Gleichheit, Freiheit, Toleranz und Würde aller Menschen, egal welcher Hautfarbe, Geschlechts, Nationalität, Religion, Einkommens etc. verpflichtet. Für uns gilt es heute, sich für dieses friedliche Miteinander im bunten demokratischen Europa einzusetzen und sich für das Recht auf Vielfalt, Pluralismus und Partizipation zu engagieren. Aus diesem Grund beschäftigen wir uns mit den damaligen Schüler_innen, deren Schulzeit von einer gewalttätigen, verbrecherischen Diktatur geprägt war und die die Demokratie nicht kennenlernen durften, und untersuchen, wie sich nationalsozialistische Indoktrination auf Schule und Schüler_innen auswirkt.

Ein Gedankenexperiment

Heute wäre schon die Themenstellung des Reifeprüfungsaufsatzes unakzeptabel. Aber lassen wir uns auf ein Gedankenexperiment ein: Wie würde eine heutige Schülerin auf die Frage antworten?

Vorauszuschicken wäre, dass der Nationalsozialismus ein Führerstaat als schlimmste Form einer totalitären Diktatur war, der alle Bereiche des öffentlichen und privaten Lebens erfasste und kontrollierte und sowohl Grundrechte als auch Rechtsstaatlichkeit außer Kraft setzte und seine Bürger terrorisierte und bedrohte, wenn sie nicht den Vorstellungen des Staates und der Partei entsprachen. Staat und Partei waren nicht mehr voneinander zu unterscheiden. Hitler war in diesem Staat Alleinherrscher. Das NS-Regime war also keine Aristokratie.

Platon oder die Suche nach dem idealen Staat

Als Griechin möchte ich kurz auf die Bedeutung des Wortes „Aristokratie“ bei Platon verweisen: Nach Platon ist die Aristokratie die ideale Form der Herrschaft. Sie ähnelt der Oligarchie in der geringen Anzahl der Regierungsmitglieder. Für die Herrschaft der Besten ist nicht der Titel ausschlaggebend, sondern die besonderen Fähigkeiten und Kenntnisse, im Sinne eben „idealer Menschen in einem idealen Staat“. Alle Bürger, die im Besitz des exklusiven Bürgerrechts der Antike sind, haben die Möglichkeit, als Herrscher gewählt zu werden, ungeachtet der sozialen Herkunft oder anderer persönliche Kennzeichen.

Platons idealer Staat, die Aristokratie, war eine Utopie und wurde niemals verwirklicht. Die Realität sah leider ganz anders aus: Macht lag stets in den Händen der Reichen und Wohlhabenden, derer, die einen Titel besaßen. Leider galt es auch gar nicht, dass alle Bürger die gleichen Chancen besaßen, oder an der Herrschaft mitwirken konnten, weil die Edlen einfach die Macht an ihre Nachkommen weitervererbten. Was die Herrschaftsausübung betrifft, haben sich die Herrscher der Aristokratie egoistisch verhalten und kaum den Willen und die Bedürfnisse des Volkes berücksichtigt. Aber auch im Idealfall dürfte es den Aristokraten sehr schwergefallen sein, wirklich das Verlangen des Volkes zu verstehen und zu erfüllen, denn sie waren Menschen, die sowohl vom Volk als auch von deren tagtäglichen Problemen weit entfernt lebten. Außerdem war eine Kontrolle oder Mitwirkung an der Herrschaftsausübung bzw. Regierung schwierig oder gänzlich undenkbar, weil eine kleine Gruppe von Menschen mit unbeschränkter Macht herrschte.

Lernen aus der Geschichte: Die Demokratie setzt sich durch.

Im Laufe der Jahrhunderte hat man aus diesen negativen Erfahrungen gelernt. Die Demokratie hat sich durchgesetzt und die Gewaltenteilung, die Grundrechte, der Pluralismus etc. sind nun zentrale Bestandteile der modernen Demokratie. Sie sorgen dafür, dass die Regierenden kontrolliert werden und ihre Macht nicht missbrauchen. Wenn man im Laufe der Geschichte alle Staatsformen untersucht, wird man sofort bemerken, dass es ein langer und schmerzhafter Weg war, bis man die Durchsetzung der Demokratie erreichte. Die Demokratie ist genau das, was die Etymologie des Wortes bedeutet. «Δήμος» bedeutet „Staatsvolk“ und «κράτος» „Gewalt“ /„Macht“ (oder „Herrschaft“). Das ist die Demokratie: Die Herrschaft, die vom Staatsvolk ausgeht und von ihr kontrolliert wird. Tatsächlich ist die Demokratie die beste Herrschaftsform, die bis heute erprobt und angewandt wurde, und daher bin ich dankbar, dass ich in einem Land lebe, das als Geburtsstätte der Demokratie gilt, und ich alle Annehmlichkeiten und Vorteile einer Demokratie genießen kann.

Die Demokratie ist ein kostbares Gut. Wir müssen uns für sie einsetzen und uns für sie engagieren, damit wir sie nicht verlieren.

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