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Ein fiktiver Brief an Johann.

Die Gedanken, die Johann äußerte, machten uns nachdenklich. Im folgenden Brief findest du unsere Überlegungen:

✎   Recherche: Angeliki Karagianni, Alexandra Efthymiou

Lieber Johann,

wir haben dich durch deinen Lebenslauf und deine Reifeprüfung aus unserem Schularchiv kennengelernt. Wenn du heute ein Schüler der Deutschen Schule Athen wärst, würden wir dich sicher treffen. Eigentlich könnte es sein, dass wir auch Mitschüler oder sogar Freunde wären. Während wir aber deine Texte lasen, haben wir uns gefragt, ob wir das wirklich wollten. Deine Meinungen und Ansichten stimmen mit der Atmosphäre, dem allgemeinen Klima und den Anschauungen jener Zeit überein, aber heutzutage werden sie als extrem und gefährlich bezeichnet. Zu Recht, denn wir wissen heute, wozu diese Ideen und Anschauungen geführt haben. Doch wir hoffen, dass du nicht wie die anderen warst. Wir hoffen, dass du diesen Unsinn über Hitler schreiben musstest, dass du nicht an diese Ideologie glaubtest und sie nicht unterstützt hast.

Wie konntest du denn auch eine andere Meinung als die der Mehrheit gehabt haben? Es war eine dunkle und unmenschliche Zeit, es gab Propaganda, Angst, Gewalt und Terror, also war es extrem schwer, dass ein Jugendlicher, wie du einer warst, dieser Situation hätte entkommen können. Je mehr wir aber an diese Zeit zurückdenken, in der du gelebt hast, desto schwerer ist es für uns eine Antwort auf diese Frage zu finden: Hast du dich auch schuldig gemacht? Warst du verantwortlich für die Grausamkeit und Bestialität des Zweiten Weltkrieges? Junge Menschen, genau wie du damals, haben ihre Kindheit unter dem Wahnsinn der nationalsozialistischen Ideologie verbracht, viele von ihnen wurden an die Front geschickt. Waren sie schuldig, wurden sie zu Tätern? Oder waren sie Opfer eines verbrecherischen Regimes? Ihr ganzes Leben wurde dadurch geprägt oder vollkommen ruiniert.

Wenn wir dir heute begegnen würden, hätten wir noch viele weitere Fragen an dich: Gerne wüssten wir, wie der Schulalltag an der Deutschen Schule Athen und das Leben in Athen während der deutschen Besatzungszeit war. Wir können uns Griechenland und insbesondere unsere Schule unter dem Hakenkreuz kaum vorstellen. Natürlich haben wir Fotos aus dieser Zeit, von der Deutschen Schule Athen, als auch von Schülerinnen und Schülern der Schule damals. Es sind Momentaufnahmen in Schwarz-Weiß, die für uns einer sehr fernen Vergangenheit angehören.

Aber stimmt das? Liegt der Zweite Weltkrieg tatsächlich so weit zurück? Noch leben Zeitzeugen, die diese schreckliche Zeit miterlebt haben. Es sind gerade mal drei Generationen, die uns davon trennen.

Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer, Deutsche und Griechen teilten also ihren Schulalltag miteinander, wie wir es heutzutage auch machen. Sie waren alle Menschen wie wir, mit ihren individuellen Wünschen, Sehnsüchten, Ängsten und Hoffnungen. Wir fragen uns, wie die Beziehungen zu deinen deutschen und griechischen Mitschülern damals waren? Schließlich herrschte Krieg und Feindschaft zwischen den Völkern? Kann es im Krieg wahre Freundschaft zwischen den Deutschen und Griechen gegeben haben?

Wir fragen uns auch, wie du dich fühlen würdest, wenn du die Deutsche Schule Athen heute besuchen könntest? Welche Geschichte würdest du uns von deiner Schulzeit erzählen?

Es gibt wirklich vieles, was unsere Generation von deiner trennt, aber alle jungen Menschen sollten um die Vergangenheit wissen und sie verstehen, damit sie die Fehler der älteren Generationen nicht wiederholen.

Das ist auch das Ziel unseres Projekts. Wir wollen das Schweigen brechen, wir wollen über die Themen Nationalsozialismus, NS-Diktatur und unsere Schule in der NS-Zeit offen diskutieren. Dies ist der einzige Weg die Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen und bei diesem Prozess brauchen wir deine Hilfe sowie die Hilfe aller anderen, die unter dem Hakenkreuz gelebt haben und uns davon erzählen können.

Deutsche Schule Athen

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