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Während Fräulein von Hauff an der DSA von 1934-1939 als Auslandsdienstlehrkraft unterrichtete, festigte Hitler seine Macht, indem er die demokratischen Strukturen zerstörte, den Rechtsstaat beseitigte, sukzessive Andersdenkende und politische Gegner ausschaltete und im Sinne des Nationalsozialismus „rassisch minderwertige“ jüdische MitbürgerInnen aus der Volksgemeinschaft öffentlich demütigte, ausgrenzte, entrechtete, verfolgte und tötete. Die vom Staat täglich praktizierte und legitimierte Gewalt an Andersdenkenden und Ausgegrenzten hat kaum bis wenig Widerstand oder Solidarität mit den Opfern des NS-Regimes hervorgerufen. Sehr schnell ging die deutsche Bevölkerung im Gleichschritt mit dem Führer. Auch Fräulein von Hauff war eine von ihnen. Als überzeugte Nationalsozialistin geriet sie in schwere Gewissensnöte, als nur ein jüdischer Arzt ihr Leben retten konnte. Der spannende Fall „Hauff“ hat in unserer Gruppe eine rege Diskussion ausgelöst: Warum waren auch gebildete Menschen wie Fräulein von Hauff, die einen Bildungs- und Erziehungsauftrag zu erfüllen hatten, Anhänger dieser menschenverachtenden Ideen und welche Auswirkungen hatten diese Vorstellungen auf die kollegialen und zwischenmenschlichen Beziehungen an der DSA. In diesem fiktiven Dialog versuchen wir uns die Atmosphäre an der damaligen DSA zu vergegenwärtigen und uns vorzustellen, welche Diskussionen der Fall im Kollegium ausgelöst haben könnte.

✎  Beitrag: Alexandra Iliana Dimitriadi, Alexios Tsakalakos

Ein fiktiver Dialog: Ein Freitag im Dezember des Jahres 1939

Prolog: An einem Freitag im Dezember 1939 sitzen alle Lehrer der DSA in der letzten Lehrerkonferenz des Jahres. Als der Direktor der Schule aufsteht, herrscht Unruhe im Raum. Er berichtet von der unerwarteten Entlassung der Kameradin Elisabeth von Hauff und kritisiert ihre Person.

SL Alfred Romain: Kameraden und Kameradinnen, wie Sie wahrscheinlich schon mitgekriegt haben, arbeitet Fräulein von Hauff nicht mehr an der Deutschen Schule Athen.

Kamerad Jörg Wassermann*, der eine enge Beziehung zu Elisabeth hat, ballt wütend seine Faust. Diese Reaktion ruft einen strengen Blick beim Unterstufendirektor Dr. Mika Schuster* hervor, der neben ihm sitzt.

SL Alfred Romain: Es ist mir aufgefallen, dass sich viele unserer Kameraden wundern, warum ich diese Entscheidung getroffen habe. Diese Entscheidung war eine der schwersten in meiner ganzen Karriere als Direktor dieser Schule. Aber Sie können sich sicher sein, dass ihre Entlassung das Beste für das Wohl unserer Schule ist. In ihren Jahren bei uns hat sie sich immer wieder als unpatriotisch und parteifeindlich erwiesen. Sie war nicht nur physisch krank, sondern auch psychisch gestört, was überdeutlich wurde, als sie einen gefährlichen Hass auf mich entwickelte. Dieser Hass ging so weit, dass sie einen, weit über einfache Beschwerden hinausgehenden schriftlichen Feldzug gegen mich eröffnete. Ihre Vorgehensweise war taktlos, provozierend und von einer pathologisch wirkenden querulantischen Halsstarrigkeit geprägt. Aus all diesen Gründen war ich verpflichtet, sie zu entlassen.

Einige Lehrer äußern ihre Zustimmung mit einem heftigen Applaus, der durch das Zimmer hallt. Jörg Wassermann bleibt ruhig, verloren in seinen Gedanken über Elisabeth.

 

Nach der Konferenz treffen sich zufälligerweise Jörg Wassermann und Mika Schuster im Lehrerzimmer und diskutieren über dieses Ereignis.

Kamerad Schuster: Jörg, du siehst ein bisschen aufgeregt aus…

Kamerad Wassermann: Tja… (schüttelt resigniert den Kopf) Ich finde Direktor Romains Entscheidung, Elisabeth zu entlassen, irgendwie ungerecht.

Kamerad Schuster: Unfair!? War die Erklärung des Direktors nicht nachvollziehbar genug?

Kamerad Wassermann: Doch, aber ein bisschen einseitig. Sie war nicht mental instabil. Vor kurzer Zeit ist ihre Schwester gestorben und sie wurde mit einer lebensbedrohlichen Blinddarmentzündung diagnostiziert. Jeder würde in so einer Situation ähnlich handeln.

Kamerad Schuster: Als Lehrerin und Vertreterin des deutschen Volkes müsste sie sich respektvoller benehmen, psychisch stärker sein und allgemein ein besseres Vorbild für das deutsche Volk darstellen.

Kamerad Wassermann: Stimmt doch nicht! Sie war immer ein gutes Vorbild, sie konnte nur wegen ihrer Krankheit nicht mehr ihren Verpflichtungen nachkommen und musste deswegen in der Schule oftmals fehlen. Hätte ihr die Partei das Geld für die Operation rechtzeitig gegeben, wäre sie ein perfektes Vorbild gewesen.

Kamerad Schuster: Du weißt genau, warum die Partei ihr das Geld nicht geben könnte.

Kamerad Wassermann: Nein, das weiß ich nicht!

Kamerad Schuster: Stell dich nicht so an! Einen jüdischen Arzt zu besuchen, das ist doch eine Schande! Die Wahrheit ist, dass sie genau wusste, dass so etwas gegen die Parteirichtlinien verstößt.

Kamerad Wassermann: Er ist doch der beste Arzt in Athen und das hat sogar Romain zugegeben, laut Elisabeth.

Kamerad Schuster: Glaube doch nicht jeden Blödsinn, den du hörst, besonders wenn das von einer wie der Hauff kommt.

Wassermann schweigt wütend.

Kamerad Schuster: Verstehst du das nicht!? Sie wollte unser Geld einem Juden geben – einem Untermenschen!

Kamerad Wassermann: Sie hatte die Operation nötig! Du weißt nicht, wie sehr sie unter ihrer Krankheit gelitten hat… Und sie musste sowieso am Ende alles von ihrem eigenen Geld bezahlen.

Kamerad Schuster: Das rechtfertigt ihr Verhalten gegenüber der Partei und der Schule nicht! –  Außerdem hat mir Romain berichtet, dass sie den Griechen gegenüber voreingenommen ist… Und du weißt, dass unser Direktor nie lügen würde.

Kamerad Wassermann: Also…Ich, ich habe so etwas nicht mitbekommen… Das Einzige, was mir gesagt wurde, ist, dass sie wegen ihrer Schmerzen nicht in der Lage war, bei dem Ball mit den griechischen Kollegen anwesend zu sein.

Kamerad Schuster: Das ist nicht die ganze Wahrheit. Sie war in der Lage so stark zu sein, ihre Schmerzen während der Unterrichtsstunden zu dulden, aber wenn sie sich mit ihren griechischen Kollegen treffen soll, dann kann sie es plötzlich nicht?! Das, finde ich, verdeutlicht ihre Haltung gegenüber den Griechen.

Kamerad Wassermann: (zögert) Ich sehe es anders… Die Situation ist nicht so einfach…

Kamerad Schuster: Jörg! – Du bist immer noch der Partei treu, oder? Sollte ich mir Sorgen machen?

Kamerad Wassermann: (nervös) Natürlich, wir sind Kameraden. Ich sage ja nur, dass man diese Situation von allen Seiten betrachten sollte.

Kamerad Schuster: Gut. – Ich hoffe, dass ich alle deine Fragen geklärt habe und … so etwas sollte nie wieder vorkommen.

Kamerad Wassermann: (leise) Ja, definitiv…

Schuster klopft Wassermann freundlich auf die Schulter und verlässt den Raum. 

Wassermann, der jetzt allein im Zimmer steht, zündet sich eine Zigarette an und setzt sich langsam auf einen kühlen metallischen Stuhl.

* Es handelt sich hierbei um fiktive Personen.

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