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10. Juni 2015 Zeitzeugenveranstaltung mit Hr. Sfountouris an der DSA

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Die Schüler/innen der 10. Klasse sprachen mit Herrn Sfountouris über seine traumatischen Erinnerungen an das Massaker des 10. Juni 1944, sowie über „das Leben nach dem Überleben“, seine Jugend in der Schweiz, über Schuld und Aufarbeitung der Vergangenheit, über historische Verantwortung im vereinten Europa und auch über die deutsch-griechischen Beziehungen.

✎   Beitrag: Andreas Tzschaschel

Lernen durch Begegnung mit Zeitzeugen

An diesem Tag fand im Namen des Deutschen Reiches eine der schrecklichsten Tragödien des 20. Jahrhunderts statt: das Massaker von Distomo, das in Deutschland bis heute völlig unbekannt ist und in den deutschen Schulbüchern auch keine Erwähnung findet. Für mich ist es ein geschichtliches Ereignis, das mich sehr bewegt und beschäftigt. Seitdem ich von Distomo gehört habe, besonders auch als wir im Geschichtsunterricht darüber gesprochen haben, ist mir eins klar geworden: Ich will diesen Ort unbedingt besuchen!

Das sehr gelungene Distomo-Projekt ermöglichte mir nicht nur die Kleinstadt und ihre Vergangenheit kennenzulernen, sondern auch die Begegnung mit den Schülern aus diesem geschichtsträchtigen Ort, aus der dann richtige Freundschaften wurden.

Vor Ort hatte unsere Klasse, die 10d, die Möglichkeit gemeinsam mit den Schülern vom Lyzeum Distomo sich intensiver mit der Lokalgeschichte auseinanderzusetzen und sich insbesondere über alle Geschehnisse, die während des zweiten Weltkrieges stattfanden, zu informieren. Nachdem wir die beiden sehr informativen, interessanten gleichzeitig aber auch sehr traurigen Filme „Distomo“ und „Ein Lied für Argyris“ gesehen haben, hatten wir die Gelegenheit, uns mit drei Zeitzeugen zu treffen.

Bildquelle: Fotoarchiv Schülerbegegnung DSA-Lyzeum Distomo 2015

Die Begegnung mit Herrn Sfountouris hat mich besonders bewegt. Sie gehört zu den unvergesslichen Höhepunkten in unserem Schulleben. Außerdem fand ich unser Gespräch sehr aufschlussreich. Herr Sfountouris ist einer der wenigen Überlebenden jenes schrecklichen Massenmordes. Seine Eltern und 30 weitere Verwandte wurden am 10. Juni ermordet. Trotz des Verlustes seiner Familie, seiner Kindheit sowie seiner Träume hat er es geschafft, sein Leben weiterzuführen. Er ist in der Schweiz ein anerkannter Physiker, Lehrer und Dichter geworden.

Nach der Gedenkfeier am 10. Juni trafen wir Herrn Sfountouris im naheliegenden Kloster „Osios Loukas“. Unser Gespräch weckte das Interesse einiger Journalisten des griechischen Fernsehkanals „Vouli“, die das ganze Gespräch aufgezeichnet haben. Schon im ersten Augenblick, als ich Herrn Sfountouris von nahem begegnet bin, fing mein Herz an schnell zu klopfen. Wie tritt man einem Menschen gegenüber, der so viel Schreckliches miterleben musste? Es war eine Mischung aus Scham und Stolz. Ich fühlte Scham aufgrund der Unmenschlichkeit und Verbrechen der Deutschen während des zweiten Weltkrieges und Stolz und Ehre, dass ich einer historischen Persönlichkeit, die seit mehr als 20 Jahren für die historische Wahrheit und gegen das Vergessen kämpft, begegnet bin.

Bildqelle: Fotoarchiv Schülerbegegnung DSA-Lyzeum Distomo 2015

Die Diskussion mit Herrn Sfountouris war interessant und spannend zugleich, seine offene Art, ermutigte uns auch sehr persönliche Fragen zu stellen. Es begegnet uns ein Mensch, der junge Menschen, wie uns, ansprechen und inspirieren konnte. Eine der ersten von mir gestellten Frage war, ob er jemals die Gelegenheit gehabt hatte, mit einem ehemaligen deutschen Wehrmachtsoldaten über das Massaker in Distomo zu reden. Er verneinte diese Frage und fügte hinzu, dass er es auch nicht wollte. Es sei denn, es hätte jemand mit ihm sprechen und ihn um Verzeihung bitten wollen. Das hätte er sofort akzeptiert und es wäre auch eine große Freude für ihn gewesen, wenn wenigstens einer ihm persönlich seine Reue für das, was damals passiert war, gezeigt hätte.

Auf die Frage, was eine angemessene Entschädigung für die Kriegsverbrechen wäre, kam eine Antwort, die ich nicht erwartet habe. „Wie groß die Entschädigung zahlenmäßig sein soll, beschäftigt mich sehr wenig. Wenn die griechische und die deutsche Regierung sich über etwas einigen würden, würde ich dahinter stehen. Es könnte auch eine symbolische Lösung sein“. Am wichtigsten ist für ihn die Anerkennung der Kriegsverbrechen durch den deutschen Staat und weniger die Höhe der Reparationszahlungen.

Bildquelle: Fotoarchiv Schülerbegegnung DSA-Lyzeum Distomo 2015

Schließlich fragten wir Herrn Sfountouris, welche Botschaft er unserer Generation geben würde. Er antwortete: „Bleibt dabei, hört nicht auf mit diesem Thema. Auch wenn ihr nicht persönlich betroffen seid, wenn die Welt so weitergeht, könntet ihr sehr schnell selber betroffen sein. Setzt euch für den Frieden ein!“

Erinnerung und Gedenken sind sehr wichtig für ein zukünftiges, friedliches Zusammenleben der Menschen. Ohne sie ist es sehr wahrscheinlich, dass wir die gleichen Fehler machen, die unsere Vorfahren in der Vergangenheit gemacht haben. Für so ein Leben hat sich Herr Sfountouris eingesetzt. Durch seinen jahrzehntelangen Kampf für Gerechtigkeit, Frieden, Wahrheit und durch seine Mut machenden und ergreifenden Worte ist er für mich zu einem Helden geworden. Ich danke ihm sehr!

Bildquelle: Fotoarchiv Schülerbegegnung DSA Lyzeum Distomo 2015

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