Nefeli und der Krieg
Nefeli hat den griechisch-italienischen Krieg 1940 und darauffolgend drei, für Griechenland sehr traumatische Jahre, deutscher Besatzungszeit miterlebt, aber kaum thematisiert, daher wollen wir euch mit der nachfolgenden kurzen geschichtliche Einordnung erklären, was Kinder, Jugendliche, SchüerInnen, wie Nefeli, aber grundsätzliche alle GriechInnen gesehen, gehört und persönlich erlitten haben:
Veränderungen in der Schule
Ein Jahr nach Nefelis Eintritt in die DSA bricht im September 1939 der zweite Weltkrieg aus, was zu Veränderungen in der Schule führt. Es ist daher zu erwarten, dass die Schule in einer neuen Weise, nämlich die der nationalsozialistischen Ideologie funktioniert, z.B werden Kollegen als Kameraden bezeichnet und das Schuljahr von 1939/40 eröffnet der Direktor Romain mit “Sieg Heil”.
Alfred Romain, Schulleiter der DSA von 1933-1944 Privatarchiv: Wiltrud Romain
Zu diesem Zeitpunkt ist Griechenland noch ein neutraler Staat und versucht sich aus dem Kriegsgeschehen rauszuhalten, obwohl die Provokationen von Seiten des faschistischen Italiens immer häufiger und offensichtlicher werden z.B. bombardiert Italien den Kreuzer Elli am 15. August 1940. Albanien wird am 7. April von Italien überfallen. Am frühen 28. Oktober 1940 erhält Ioannis Metaxas, der seit 1936 eine Diktatur errichtet hat, ein Telegramm vom italienischen Botschafter Emanuel Grazzι überreicht. Es beinhaltete die Forderungen, dass Griechenland den Achsenmächten erlauben sollte, griechisches Territorium zu betreten und nicht näher spezifizierte „strategisch wichtige Punkte“ zu besetzen, eine Ablehnung dieser Forderung würde ab 6:00 Uhr mit Krieg beantwortet werden (in Ioannis Metaxas Worten „Alors, c ‘est la guerre“).
Folgen des deutschen Besatzungsterrors
Der Schulalltag ist von der NS-Ideologie geprägt, deutlich zeigt sich das in den jährlich stattfindenden Feiern anlässlich des Geburtstags des Führers. Als Nefeli in der 7. Klasse ist, erlebt sie den Einmarsch der Wehrmacht in Athen im April 1941 mit. Während sie einem vom Besatzungsterror unbehelligten Schulalltag nachgeht, finden in vielen Regionen Griechenlands Säuberungsaktionen bzw. Vergeltungsmaßnahmen (Oktober 1941 Kleisto, Kydonia und Ampelofyto Kilkis) sowie Hinrichtungen (28. September 1941 Aufstand in Drama, 1. Mai 1944 Kesariani-Athen, 14. Juni 1942 in Heraklion) und Massaker oder sogenannte Vergeltungsmaßnahmen (17. Oktober 1941 Kerdyllia, 23. Oktober 1941 Mesovouno, 16. Februar 1943 Domenikon, 25. Juli 1943 Musiotitsa, 16. August 1943 Kommeno, 14. September 1943 Viannos, 18. September 1943 Kephalonia, 3. Oktober 1943 Lingiades, 13. Dezember 1943 Kalavryta, 5. April 1944 Klissoura, 10. Juni 1944 Distomo) statt.
Mahnmal für die 218 Opfer des Massakers vom 10. Juni 1944, Distomo
Mahnmal für die über 500 Opfer des Massakers in Kalavryta
Die Schülerin besucht die 7. Klasse der DSA während des Hungerwinters 1941/42, der 100.000 Menschen das Leben kostete. Als Nefeli ihr schriftliches Abitur ablegt, beginnt am 24. März 1944 die Verhaftung von Athener Juden und Jüdinnen. Gleichzeitig wird die Bergregierung des Politischen Komitees der Nationalen Befreiung (PEEA) am 10. März in Evrytania gegründet. Diese Bergregierung hält die ersten Wahlen ab, an denen auch Frauen mitwählen konnten.
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Nefeli und die „neue deutsche Aristokratie„
Aus Νefelis Reifeprüfungsarbeit zum Thema „Bedarf der Staat einer Aristokratie“ wird klar, dass Nefeli der Entstehung und Bedeutung eines „Führerstaates“, wie er in Deutschland damals existierte, zustimmte. Sie benutzt NS-Vokabular (“die Auslese des Adels” ), das mit positiven Worten die Mitglieder der NSDAP beschreiben soll. Der Führer und seine Parteifunktionäre werden als die „Besten“, die Elite des Volkes beschrieben, die stets das Wohl Deutschlands anstreben. Ausgebildet werden diese „Besten“, der neue „Adel“ in den Adolf Hitler Schulen. Hier könnt ihr euch über, die für uns heute völlig unakzeptablen, Vorstellungen und Zielsetzungen dieser Einrichtungen informieren.
Appell der HJ-Angehörigen im Innenhof der Ordensburg während der Abschlussprüfungen 1942 an der Adolf-Hitler-Schule (AHS). Foto von Heinrich Hoffmann. (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv hoff-42986), NS-Ordensburg Sonthofen, Historisches Lexikon Bayerns, F.A. Heinen, Aufgerufen am 02.08.2020
Adolf Hitler Schulen
In den Schulen, die den Namen des „Führers“ trugen, den Adolf-Hitler-Schulen, sollte der Nachwuchs für die nationalsozialistische Partei erzogen werden. Diese Schulen gab es seit Anfang des Jahres 1937. Doch wer durfte Schüler an einer Adolf-Hitler-Schule werden? Die Auswahl wurde nach äußerst strengen Kriterien vollzogen und nicht jeder Deutsche durfte diese Schule besuchen. Doch wer wurde am Ende zugelassen?
Wer durfte an eine Adolf-Hitler-Schule?
Voraussetzung war die Mitgliedschaft und eine Empfehlung der HJ. Nur wer sich schon im Rahmen der Hitlerjugend bewährt hatte und äußerst führungsstark war, erhielt diese Empfehlung. Ein Ariernachweis war unbedingt notwendig und die gesamte „Sippe“ musste erbgesund sein. Es durfte innerhalb der Familie kein Behinderung welcher Art auch immer bestehen. Auch mussten die Eltern in der Partei oder einer parteinahen Organisation tätig sein und auf jeden Fall dem Nationalsozialismus nahe stehen.
Adolf Hitler besucht für eine Tagung die Ordensburg Sonthofen. Burgkommandant Robert Bauer (1898–1965) begrüßt Hitler. Foto aus: Oberallgäuer Nationalzeitung Nr. 274 (25.11.1937), 2. (Bayerische Staatsbibliothek, 4 Bavar. 3022 i-77. 1937, 9-12), NS-Ordensburg Sonthofen, Historisches Lexikon Bayerns, F.A. Heinen, Aufgerufen am 02.08.2020
Parteischule und Internat
Die Adolf-Hitler-Schulen waren reine Parteischulen und immer Internate, das heißt, die Schüler lebten dort auch, sie aßen dort und sie schliefen dort. Vom siebten bis zum zwölften Schuljahr sollten die ausgewählten Schüler auf ihr späteres Parteileben in höherer Funktion vorbereitet werden. Bis zum Zweiten Weltkrieg gab es in Deutschland zehn Adolf-Hitler-Schulen. Wer die Schule beendet hatte, musste als Soldat in den Krieg.
Das Ziel dieser Schulen war, selbstbewusste, starke Menschen heranzuziehen, deren Gehorsam gegenüber dem Führer bedingungslos sein musste. Man schloss die Schule mit einem Diplom ab und konnte im Anschluss eine berufliche Laufbahn in der NSDAP oder deren Organisationen ergreifen.
Die Leitung der Adolf-Hitler-Schulen hatten der Reichsjugendführer Baldur von Schirach sowie Robert Ley inne, der die Deutsche Arbeitsfront leitete. Die Schule kostete kein Schulgeld. Mädchen wurden nicht aufgenommen, die Adolf-Hitler-Schulen waren reine Jungenschulen.
Quelle: Zeitklicks, Adolf Hitler Schulen, Aufgerufen am 22.02.2020, NS-Ordensburg Sonthofen, Franz Albert Heinen, Historisches Lexikon Bayerns
Junge Mädchen sollten durch den Bund deutscher Mädel (BDM) mit dem Frauenideal der Nationalsozialisten vertraut gemacht werden.Bildnachweis (© AddF), L. Wagner, Ein Ende mit Schrecken, 08.09.2008, bpb.de
Nefeli und die Rolle der Frauen im NS Staat
Im Schlussteil ihrer Arbeit betont Nefeli, dass sie “als Frau, die
Emanzipation des weiblichen Geschlechts anstrebt” und auch Frauen als politische Führer begrüßen würde. Sie äußert also eine feministische, emanzipatorische Haltung. Es klingt wie ein Appell für Gleichbehandlung von Frauen und Männern im NS „Führerstaat“, eine allerdings Vorstellung, die der Idee des Führerstaates völlig widersprach und abgelehnt wurde. Warum das so war erfahrt ihr hier:
Propagandapostkarte „Dem Führer – die Jugend“, 1939, NS Frauenpolitik, LeMO
Die Frauenpolitik des NS-Staates
Die „natürliche“ Hauptaufgabe der Frauen bestand nach Ansicht der Nationalsozialisten darin, möglichst viele Kinder zur Welt zu bringen, die zur Ausbreitung der „arischen Rasse“ beitrugen. Daher wurden positive Anreize wie steuerliche Begünstigungen und das Mutterkreuz geschaffen, um die Gebärfreudigkeit zu erhöhen. Gleichzeitig sollte der Nachwuchs im Sinne des Nationalsozialismus versorgt und erzogen werden. Um die Familie als Keimzelle der Nation zu stärken, wurde eine Professionalisierung der Tätigkeiten als Hausfrau und Mutter angestrebt. Die Frauenorganisationen übernahmen daher sowohl die Mütterschulung als auch die Förderung und Pflege der „völkisch-rassischen Gesundheit“ als zentrales Aufgabenfeld.1923 entstanden im Umfeld der NSDAP Zusammenschlüsse von Frauen, die eng mit den Ortsgruppen der Partei kooperierten. […] Nachdem die Einheit der Frauenvereine als Leitlinie der NS-Frauenpolitik beschlossen wurde, kam es 1931 zur Auflösung des DFO und aller anderen Frauenorganisationen zugunsten der Neugründung der NS-Frauenschaft (NSF). Im Zuge dieser Umgestaltung wurden die Autonomie der Frauengruppen eingeschränkt und die Bindung an die Partei verstärkt. Sämtliche Leiterinnen auf den höheren und mittleren Verbandsebenen wurden von männlichen Parteifunktionären berufen.
Interessante weiterführende Quelle: Ein Ende mit Schrecken, Die Frauenbewegung wird „gleichgeschaltet“, Prof. Dr. Leonie Wagner, 08.09.2008, bpb.de
Nefeli und die Religion
Das Gutachten erwähnt eine angebliche religiöse Psychose der Schülerin, dabei ist sehr interessant zu beachten, welche Rolle die Religion im NS-Staat hatte.
Die Funktion und Rolle der Religion im NS-Staat
Kirche und christlicher Glaube wurde im NS Staat als Instrument zur Machtsicherung benutzt, obwohl die totalitäre Ideologie des Nationalsozialismus unvereinbar mit den Grundsätzen des Christentums war. Hitler selber war ein Gegner des Christentums und der Kirchen, da die beiden Kirchen seinem Totalitätsanspruch im Wege standen. Trotzdem
verhielt sich Hitler anfänglich den beiden christlichen Kirchen gegenüber versöhnlich und gemäßigt, da er die Stimmen der Gläubigen gewinnen wollte. Daher stand auch im Parteiprogramm der NSDAP Artikel 24 “die Partei vertrete den Standpunkt eines positiven Christentums”. Die Religionsfreiheit wurde als Funktion rassischer Eigenart dargestellt und die Ausgrenzung der Juden befürwortet. Nach der Machtgewinnung Hitlers wurde die Kirche immer mehr als ein Hindernis und eine Gefährdung wahrgenommen. Im November 1937 äußerte sich Hitler in einer Geheimrede vor dem „politischen Führernachwuchs“ 1(…) Über den deutschen Menschen im Jenseits mögen die Kirchen verfügen, über den deutschen Menschen im Diesseits verfügt die deutsche Nation durch den Führer.“2 Die Unvereinbarkeit der Kirche mit der NS-Ideologie wurde mit Ausbruch des Krieges immer deutlicher. Nach dem erwarteten Endsieg wollte Hitler mit den Kirchen abrechnen.
Der Nationalsozialismus sollte den christlichen Glauben und die Religion ersetzen. Anstelle des christlichen Glaubens sollte ein politischer Glauben treten. Hitler wurde als Abgesandter Gottes verherrlicht und der Nationalsozialismus als allein seligmachender Glaube für das deutsche Volk dargestellt. Der Nationalsozialismus wurde so zur Ersatzreligion.
Quelle :Frauen im NS- Staat, https://www.dhm.de/lemo/kapitel/ns-regime/innenpolitik/frauenpolitik.html, Aufgerufen am 21.11.2019
Quelle:http://www.gymhartberg.ac.at/schule/images/stories/Religion/themen_matura/17_NS _Religion.pdf ,Aufgerufen am 21.11.2019
1:Zitiert nach: Hrsg. Dieter Tiemann, Geschichte betrifft uns, Die Kirche im Dritten Reich, Nr.6, 1995, Bergmoser Höller Verlag, Aachen Hrsg. E. Kastner,Kirchengeschichte, Bernward Oberstufen Kurs, Kursentwurf für die Oberstufe,Hildesheim 1995
2:ebenda
Interessante weiterführende Quelle: Historiker: Hitler ist in die Rolle des Messias geschlüpft, Ludolf Herbst über die Stilisierung von Hitler zum charismatischen Führer, Ludolf Herbst im Gespräch mit Joachim Scholl, 02.06.2010, Deutschlandfunk
✎Recherche: Ilektra Mavridi, Aliki Portosalte, Alexandra Iliana Dimitriadi