Widerstand gegen die deutschen Besatzer
Während der dreieinhalbjährigen, brutalen Okkupation zeigte sich gleichwohl ein breiter und äußerst aktiver Widerstand. Der mit Abstand bedeutendste Widerstand formierte sich in der Nationalen Befreiungsfront (EAM), die am 27. September 1941 aus monatelangen Verhandlungen zwischen der Kommunistischen Partei Griechenlands (KKE) und drei weiteren kleinen Linksparteien hervorgegangen war.
Die EAM entwickelte sich schnell zur größten Widerstandsorganisation und damit zu einer ernstzunehmenden politischen Kraft im Land. Unterstützt wurde sie dabei durch richtungweisende Ziele, welche sie sich in ihrer Gründungscharta gegeben hatte. Diese bestanden aus der Befreiung des Landes, der Wiederherstellung der Souveränität und der Bildung einer Übergangsregierung nach Vertreibung der Besatzungsmächte. Ihre Aufgabe sollte es sein, freie Wahlen vorzubereiten, um das griechische Volk selbst über die von ihm gewünschte Regierungsform entscheiden zu lassen. Im Februar 1942 wurde als bewaffneter Arm der EAM die Griechische Volksbefreiungsarmee (ELAS) gegründet. Sie führte den Partisanenkrieg gegen das Besatzungsheer und seine Verbündeten.
Als zweitwichtigste Widerstandsgruppierung galt der Nationale Republikanische Griechische Verband EDES, der im September 1941 vom ehemaligen Oberst der griechischen Armee Napoleon Zervas gegründet wurde. Diese nationalen Einheiten griechischer Widerstandskämpfer, welche Zervas im Epirus-Gebirge und in Westgriechenland als bewaffneter Arm der Organisation bildete, erfuhren sowohl politische als auch materielle Unterstützung durch die Briten.
Im direkten Gegensatz zu anderen europäischen Staaten wurde der Widerstand in Griechenland nicht Teil des „Gründungsmythos“ und damit auch nicht Teil der nationalen Identität, da er fast ausschließlich mit der Linken identifiziert wurde. Erst mit Anerkennung der EAM als Widerstandsorganisation in den 80er Jahren erhielt dieser Teil der Geschichte Einzug in die nationale Erinnerungskultur.
Quelle: Widerstand, Erinnerungen an die Okkupation in Griechenland, aufgerufen am 11.06.
Okkupation und Widerstand
Absprung deutscher Fallschirmjäger auf Kreta, Mai – Juni 1941. (© Bundesarchiv, Bild 183-L19034)Bei der Entwicklung des Widerstandes zeigen sich regionale Unterschiede, wobei der „Effizienz“ der jeweiligen Besatzungssmacht eine wesentliche Rolle zukommt. Bei der Verteilung der Beute hat Hitler nämlich nur Gebiete von herausragender strategischer Bedeutung unter deutscher Kontrolle behalten. So fordert die Marineleitung, Kreta müsse „im Interesse der großdeutschen Belange“ für immer in deutschem Besitz bleiben; auch die wichtige Hafenstadt Saloniki sei in einen Außenposten des künftigen deutschen Großreichs umzuwandeln. (BA Freiburg, Oberkommando der Kriegsmarine, Chefsache, 28.7.1942; u.v.a.) Den großen Rest Griechenlands überlässt Berlin den Italienern und Bulgaren – zur Besetzung sowie zur Befriedigung territorialer Aspirationen. Unter diesen ungleichen Bedingungen beginnt sich der griechische Widerstand zu formieren. Wichtigste Organisation ist die von der Kommunistischen Partei dominierte Nationale Befreiungsfront (EAM), die mit ihrer Partisanenarmee ELAS ab Sommer 1943 operative Bedeutung erlangt und den effektivsten Gegner für die Besatzer darstellt. Jene, insbesondere die Deutschen, schlagen gegen die Zivilbevölkerung mit einer Brutalität zurück, die in nicht-slawischen Ländern unerreicht bleibt.
Spaltpropaganda
Zugleich aber schüren die Besatzer mit Spaltpropaganda die Gegensätze zwischen nationalistischen Gruppen und der EAM-ELAS. Auch die deutsche Initiative, mit der Ende 1943 begonnenen Aufstellung bewaffneter Kollaborationsverbände (Sicherheitsbataillone) „wertvolles deutsches Blut zu sparen“, zielt mehr auf politischen als auf militärischen Nutzen: eine „politische Maßnahme im Zuge der Bekämpfung des Kommunismus, für die der antikommunistische Teil der griechischen Bevölkerung restlos eingespannt werden muss, damit er sich eindeutig festlegt und in offene Feindschaft zum kommunistischen Teil getrieben wird“. Tatsächlich gibt die deutsche Spaltpropaganda der latenten innergriechischen Konfrontation eine neue – letztlich den nachfolgenden Bürgerkrieg mitbewirkende – blutige Qualität. Damit sahen viele Besatzer ihre zynische These bestätigt, „hierzulande“ sei „ein Menschenleben nicht viel wert“ – was die Hemmschwelle bei den so genannten „Säuberungsaktionen“ der Besatzungs-Truppen weiter herabsenkte.
Die so genannten „Sühnemaßnahmen„
Toter deutscher Fallschirmjäger auf Kreta (© Bundesarchiv, Bild 101I-166-0527-22)So geraten Hunderte angeblich „bandenverseuchter“ griechischer Bergdörfer in den Zangengriff blutiger Besatzungslogik: Vertrauen die Einwohner beim Anmarsch deutscher Truppen vorherigen Zusicherungen und bleiben vor Ort, laufen zumindest die Männer Gefahr, „vorsorglich“ in ein Geisellager transportiert zu werden – sofern man sie nicht umgehend zur „Sühnung“ irgendeiner Partisanenaktion liquidiert. Flüchten sie, wird die Flucht mit Zugehörigkeit zum Widerstand gleichgesetzt und mit Erschießung bestraft; wiederholt (so in den so genannten „Märtyrerorten“ Kommeno, Klissura, Distomo u.a.) werden auch die Frauen und Kinder zu Opfern der perfiden Tötungslogik. Besonnene Befehlshaber versuchen schlimmste Auswüchse zu verhindern, doch verfügen die anderen über Rückendeckung im Führerhauptquartier, wo man das Abstreifen „aller europäischen Hemmungen“ verlangt. (Fleischer 1999, passim)
Allein für die Zeit ab Juni 1943 zählt eine (unvollständige) deutsche Auflistung 25.435 getötete Griechen – 91 pro Tag während der letzten Besatzungsmonate. Darüber hinaus werden 25.728 „Gefangene“ aufgeführt, über deren weiteres Schicksal nichts verlautet. (BA Freiburg, RH 19 VII/54, vgl. Fleischer 1999, S. 186, 222) Viele werden zur Fronarbeit ins Reich deportiert; ein Großteil kehrt nicht zurück. Andere werden als Geiseln exekutiert, oder, um es in der menschenverachtenden Terminologie der Besatzer zu sagen, „aufgebraucht“.
Grausame Bilanz
Deutsches Erschießungskommando in Kondomari (Kreta), 2. Juni 1941. (© Bundesarchiv, Bild 101I-166-0525-39)Zehntausende landeten in Konzentrationslagern, von denen das im Athener Vorort Chaidari am bekanntesten ist. Herr über Leben und Tod war Paul Radomski, den selbst seine SS-Dienststelle folgendermaßen charakterisiert: „primitiv in seinem ganzen Denken und Fühlen, nicht zum Führen geeignet“. (Fleischer 1986, S. 548) Unerfasst blieben in besagten Listen die 60.000 ermordeten griechischen Juden, die über 100.000 Hungertoten (nach anderen Schätzungen weit mehr), der jähe Absturz der Geburtenrate. Am Ende der Okkupation leidet jeder dritte Grieche an epidemischen Infektionskrankheiten, in manchen Regionen sind 70% betroffen, insbesondere Kinder. Kaum zu berechnen sind die Verluste durch die okkupationsbedingte Hyperinflation sowie die Zerstörung der Infrastruktur infolge raubwirtschaftlicher Ausbeutung (Bergwerke, Wälder, etc.) und systematischer Vernichtung: Die meisten Eisenbahnbrücken gesprengt, über 80% des rollenden Materials ruiniert oder entwendet; 73% der Handelstonnage versenkt, zahllose Häuser und Ortschaften zerstört.
Quelle: Hagen Fleischer, Wenn ihr euch erinnert, können wir vergessen. Deutsche Besatzungszeit, 17.03.2014, Bundeszentrale für politische Bildung