Lehrer Greulich 3 Hintergrundinformationen Teil 1

Humanitäre Katastrophe

Mit völlig falschen Erwartungen und Hoffnungen bewirbt sich der junge Lehrer und mehrfache Familienvater 1941 an der damaligen DSA. Seit 1939 im Kriegseinsatz an unterschiedlichen Kriegsschauplätzen und von seiner Familie getrennt, erhofft er sich durch eine Anstellung im Auslandsschuldienst wieder mit seiner Familie vereint sein zu können. Die Umstände in Athen sind ernüchternd, die Lebensumstände katastrophal. Enttäuscht beschwert sich Greulich in den Briefen an den Schulleiter oder an den Schulvorstand über die schwierigen Lebensumständen in Athen, die einen Umzug seiner Familie nach Athen unmöglich machten. Was der Lehrer Greulich in Griechenland sieht, hört und erlebt wollen wir hier beschreiben:

Das Trauma der deutschen Besatzung

Die deutsche Besatzung in Griechenland (1941-1944/45) forderte mehr Opfer als in allen anderen nicht-slawischen Ländern. Das Land erlitt eine lang anhaltende Besatzung durch drei verschiedene feindliche Mächte (Deutschland, Italien bis September 1943 und Bulgarien) und als Ergebnis dessen eine neue innere Spaltung sowie einen darauffolgenden Bürgerkrieg. Wesentliche Opfergruppen sind die zahlreichen Hungertoten (über 100.000 allein im ersten Besatzungswinter 1941/42), die 60.000 deportierten und ermordeten griechischen Juden sowie die schätzungsweise 70.000 bis 80.000 Griechen (zumeist Zivilisten), die in Folge von Widerstandshandlungen und insbesondere von Vergeltungsmaßnahmen getötet worden sind. Hunderte griechische Dörfer wurden zerstört. In den Archiven befinden sich Unmengen von Bildern, die die Gesichter der Hungernden von Athen zeigen.

Bei ihrem Abzug im Herbst 1944 hinterließ die Wehrmacht ein zerstörtes Land: Jeder dritte Grieche litt an epidemischen Infektionskrankheiten (Malaria, Tuberkulose, Typhus); in manchen Regionen waren 60 bis 70 Prozent betroffen, insbesondere Kinder. Kaum zu schätzen sind die Verluste durch die Hyperinflation sowie die Zerstörung der Infrastruktur als Folge von raubwirtschaftlicher Ausbeutung (Bergwerke, Wälder et cetera) und systematischer Vernichtung bei  Sühnemaßnahmen oder während des Abzugs der Wehrmacht. Die meisten Eisenbahnbrücken waren gesprengt, weit über 80 Prozent des rollenden Materials ruiniert oder beschlagnahmt; 73 Prozent der Handelstonnage waren versenkt, fast 200.000 Häuser total oder zu großem Teil zerstört. Damit verlor Griechenland 7,2% seiner Vorkriegsbevölkerung. Nach einem Bericht der griechischen Regierung, der während des Nürnberger Prozesses gegen die Hauptkriegsverbrecher vorgelegt wurde, wurden ungefähr 91.000 griechische Geiseln von deutschen Besatzungsstreitkräften erschossen. Bei »Sühnemaßnahmen« gegen die Einwohner von Dörfern und Städten wie Kalavryta oder Distomo töteten Wehrmachts- und SS-Einheiten rund 30.000 Zivilpersonen zur Vergeltung angeblicher oder tatsächlicher Partisanenangriffe. Diese Schätzungen sind vermutlich zu niedrig. Die »Besatzungsökonomie« ist mit Repressalien gegen Zivilisten, mit der Totalausbeutung des Landes, mit der Inflationspolitik, deren Folge der Schwarzmarkt war, und der rapiden Verarmung breiter Bevölkerungsmassen verbunden.

Hungersnot

Die Hungersnot während der Besatzungszeit traf die Bevölkerung in Griechenland besonders hart. Bereits in den Tagen des deutschen Einmarsches war die Lebensmittelversorgung zusammengebrochen, was für den Großteil der Bevölkerung spürbare und bedrohliche Auswirkungen hatte. Zehntausende hatten in den Wirren des Krieges ihr Heim verlassen und Zuflucht in anderen Regionen suchen müssen. Besonders in den Städten kam es zu Engpässen in der Nahrungsmittelverteilung, da dort die meisten Binnenflüchtlinge Schutz suchten. Auf diese Weise bildete sich ein Ungleichgewicht zwischen den urbanen Zentren und den ländlichen Regionen, in denen die Menschen einen Mindeststandard für das Überleben sichern konnten. Zum Entstehen der Hungersnot trug auch die Seeblockade der Briten bei. Hinzu kam der Zusammenbruch der Verkehrsverbindungen und die Aufteilung des Landes in verschiedene Besatzungszonen, so dass Versorgungslieferungen selbst in Nachbargebiete kaum mehr möglich waren. Große Mengen an landwirtschaftlichen Produkten, darunter Kartoffeln, Rosinen und Olivenöl wurden von den Besatzern beschlagnahmt und für die Ausfuhr ins Deutsche Reich bestimmt. Bereits im Juni 1941 war die Lebensmittelverteilung in Athen rationiert worden, womit der Schwarzmarkt zu florieren begann. Quellen belegen, dass der Großteil der Ernte nicht auf dem Markt, sondern bei Spekulanten und Zwischenhändlern landete. Der illegale Handel ersetzte fast vollkommen den funktionierenden Markt. Innerhalb nur weniger Monate waren dort kaum noch Nahrungsmittel erhältlich. Kirchen, Wohltätigkeitsorganisationen und das Rote Kreuz organisierten Suppenküchen, konnten die Not damit aber nur bedingt lindern.

Im Winter 1941/42 starben mindestens 30.000 Menschen (allein im Hauptstadtgebiet) an den Folgen von Unterernährung. Besonders zu leiden hatten geringer bemittelte Teile der Bevölkerung, darunter Arbeiter oder Teilzeitbeschäftigte. Letztlich betroffen aber waren alle gesellschaftlichen Schichten. Besonders unter Alten, Kranken und Gebrechlichen war die Sterberate besonders hoch. Die Straßen Athens lieferten ein grauenvolles Bild: Menschen brachen zusammen, Passanten gingen achtlos an Sterbenden vorbei, die an den Straßenrändern lagen, bevor sie von der Müllabfuhr abgeholt wurden.

Abgesehen von den Städten war auch auf den Inseln die Situation dramatisch, da sie auf Lebensmittellieferungen angewiesen waren. Auf Syros war die Sterberate prozentual höher als in den Armenvierteln von Athen und Piräus. Eine genaue Erfassung der Opfer der Hungersnot war praktisch unmöglich, somit kann die Zahl der Toten nur geschätzt werden. Als gesichert gilt indes, dass die Hungersnot mehr Menschenleben gekostet hat als die Bombardements, der Partisanenkrieg und die Vergeltungsmaßnahmen der Besatzer zusammen. Sie ist daher bis heute stark im kollektiven Gedächtnis der Griechen verankert.

Erinnerung an die Okkupation in Griechenland, Hungernot, http://www.occupation-memories.org/de/deutsche-okkupation/ergebnisse-des-terrors/index.html, aufgerufen am 22.02.2020