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26.07.2021 Zeitzeugengespräch mit Frau Dr. Elma Kleinschmidt
Frau Dr. Elma Kleinschmidt, 1937 in Athen geboren, Tochter von Ernst Lichtenstein, ehemaliger Lehrer an der DSA (1932 – 1935). Aufgrund seiner jüdischen Abstammung musste er 1935 die damalige DSA verlassen. In ihrem Interview berichtet die Zeitzeugin über ihre Kindheit in Athen, ihre Erinnerungen an die Schulzeit an der DSA, sowie an die deutsche Okkupation in Athen als auch an die schwierige und riskante Rückkehr der Familie nach Deutschland im Jahr 1944 nach der Befreiung Griechenlands von den deutschen Okkupanten.
✎ Beitrag: Regina Wiesinger
Zeitzeugengespräch mit Elma Kleinschmidt, geborene Lichtenstein
Juli 2021: Nach dem langen Lockdown ist das Reisen und sind persönliche Begegnungen endlich wieder möglich. Noch ist man vorsichtig und zurückhaltend, aber die Erleichterung und das Gefühl der Befreiung aus der Enge der Isolation ist bei allen deutlich spürbar.
Ich bin auf dem Weg nach Neustadt an der Weinstraße. Die fast siebenstündige Zugreise von Linz (an der Donau) über München nach Mannheim verbringe ich damit, mich auf die Begegnung mit der Zeitzeugin, Frau Dr. Elma Kleinschmidt, geborene Lichtenstein, vorzubereiten und mich auch etwas über ihren Wohnort Neustadt, zu informieren. Auf der Website der Gemeinde erfahre ich, dass Neustadt ein sehr schmuckes, historisches Städtchen in Rheinland-Pfalz mit mittelalterlichen Gassen und einem malerischen Marktplatz ist, das vor allem berühmt für seinen Weinanbau sei. Über die dunkle Geschichte der Stadt, als Gauhauptstadt in der NS-Zeit, erfahre ich erst später im Gespräch mit unserer Zeitzeugin.
Bildquelle: Neustadt an der Weinstraße, Juli 2021, Fotoarchiv“ DSA erinnert“
Ich bin gespannt und freue mich ganz besonders auf das persönliche Kennenlernen der Zeitzeugin. Die Begegnung mit ihr ist seit Wochen geplant und vorbereitet. Zahlreiche Telefonate und E-Mails wurden ausgetauscht und so entstand bereits eine erste behutsame Annäherung, auf der wir beide aufbauen können. Vereinbart wurden die Durchführung und Aufzeichnung eines lebensgeschichtlichen Interviews. Aus diesem Grunde werde ich von Alexander Karamalikis, unserem Kameramann und technischen Assistenten, der aus Athen angeflogen kommt, begleitet.
Bildquelle: Neustadt an der Weinstraße, Juli 2021, Fotoarchiv“ DSA erinnert“
Kontakt zu Frau Kleinschmidt
Dass wir mit Frau Kleinschmidt in Kontakt kamen, war einem seltenem Zufall geschuldet. Im Mai 2021 erhielten wir (das „DSA erinnert“-Team) eine E-Mail von Frau Carola Kleinschmidt, ihrer Tochter, in der sie uns für die historisch sorgfältig recherchierte biographische Darstellung ihres Großvaters Ernst Lichtensteins auf unserer DSA erinnert Website gratulierte und dankte. Das war ein außergewöhnlicher Glücksfall für uns, da wir in unserer Recherche zu Ernst Lichtenstein auch nach noch lebenden Familienangehörigen gesucht und geforscht haben, jedoch leider vergeblich. Sofort nahmen wir Verbindung zu Frau Kleinschmidt auf und über sie ergaben sich auch sehr schnell die ersten Kontakte zu ihrer Mutter, der Tochter Ernst Lichtensteins, die im Jahr 1937 in Athen auf die Welt kam. Ihre Kindheit verbrachte sie bis zum 7.Lebensjahr in dem, von der deutschen Wehrmacht okkupierten Athen verbrachte. Sie besuchte den deutschsprachigen Kindergarten der damaligen DSA und wurde mit sechs Jahren (1943) in die Grundschule der DSA eingeschult. Frau Kleinschmidt verfügt, trotz ihres fortgeschrittenen Alters, über sehr präzise Erinnerungen an ihre Kindheit in Griechenland, an ihre Schulzeit und die Schrecken des Krieges, der Hungersnot und an das besetzte Athen.
Bildquelle: Interview mit Frau Kleinschmidt, Neustadt an der Weinstraße, Juli 2021, Fotoarchiv“ DSA erinnert“
Zeitzeugengespräch mit Frau Kleinschmidt
Angekommen in Neustadt erwartete uns die Zeitzeugin schon vor ihrem kleinen hübschen Haus in einer Reihenhaussiedlung etwas außerhalb des Stadtzentrums und lud uns in ein nahegelegenes kleines Restaurant zum Essen ein. Sie erzählte uns viel von ihrem bewegten Leben, von ihren Eltern, besonders von ihrem Vater, Ernst Lichtenstein, den sie sehr liebte und zu dem sie auch eine innige Beziehung pflegte. Aber auch von der abenteuerlichen Rückkehr der beiden Kinder mit ihrer Mutter im Sommer 1944 nach Deutschland und vom schrecklichen Schicksal der Familienangehörigen ihres Vaters, die Opfer des Holocaust wurden, berichtete sie. Sehr ausführlich schilderte sie den schwierigen Neuanfang der Familie nach der Kapitulation. Mit den vielen Erinnerungen an ihre Jugend im Nachkriegsdeutschland, dem Medizinstudium und ihrem Beruf als eine der ersten Anästhesistinnen Deutschlands endete das Interview, das mehr als drei Stunden dauerte.
Bildquelle: Interview mit Frau Kleinschmidt, Neustadt an der Weinstraße, Juli 2021, Fotoarchiv“ DSA erinnert“
Frau Dr. Elma Kleinschmidt war eine sehr eloquente, äußerst interessante Interviewpartnerin, mit sehr detaillierten Erinnerungen, deren Ausführungen gedanklich klar strukturiert, facettenreich und historisch sehr aufschlussreich waren. Das Gespräch fand in einer sehr entspannen Atmosphäre statt, obwohl die gedankliche Reise zurück in die Vergangenheit die Zeitzeugin sichtlich emotional bewegte.
Bildquelle: Interview mit Frau Kleinschmidt, Neustadt an der Weinstraße, Juli 2021, Fotoarchiv“ DSA erinnert“
Wir danken Frau Elma Kleinschmidt ganz herzlich für das Interview, durch das wir wichtige neue Erkenntnisse über die Schulgeschichte der DSA in der NS-Zeit, das Alltagsleben deutsch-jüdischer Migranten in Griechenland und das bemerkenswerte Leben ihres Vaters, Ernst Lichtenstein erhalten haben.
18.-23.06.2023
DSA erinnert goes Berlin