Frau Dr. Elma Kleinschmidt, 1937 in Athen geboren, Tochter von Ernst Lichtenstein, ehemaliger Lehrer an der DSA (1932 – 1935). Aufgrund seiner jüdischen Abstammung musste er 1935 die damalige DSA verlassen. In ihrem Interview berichtet die Zeitzeugin über ihre Kindheit in Athen, ihre Erinnerungen an die Schulzeit an der DSA, sowie an die deutsche Okkupation in Athen als auch an die schwierige und riskante Rückkehr der Familie nach Deutschland im Jahr 1944 nach der Befreiung Griechenlands von den deutschen Okkupanten.
✎ Beitrag: Regina Wiesinger
Sommer 2021: Nach dem langen Lockdown ist das Reisen und sind persönliche Begegnungen endlich wieder möglich, noch vorsichtig und mit deutlicher Zurückhaltung, aber die Erleichterung und das Gefühl der Befreiung aus der Enge der Isolation ist bei allen deutlich spürbar.
Ich bin auf dem Weg nach Neustadt an der Weinstraße. Die fast sieben stündige Zugreise von Linz (Österreich) über München nach Mannheim verbringe ich damit, mich auf die Begegnung mit der Zeitzeugin, Frau Elma Kleinschmidt, geborene Lichtenstein, vorzubereiten und mich auch etwas über den Ort, Neustadt, indem sie wohnt, zu informieren. Auf der Website der Gemeinde erfahre ich, dass Neustadt ein sehr schmuckes, historisches Städtchen in Rheinland-Pfalz ist, das vor allem berühmt für seinen Weinanbau sei. Aber nicht nur der Wein scheint die Touristen in die Gegend zu locken, sondern auch die wunderschöne, malerische Altstadt mit den mittelalterlichen Gassen und dem historischen Marktplatz.

Bildquelle: Neustadt an der Weinstraße, Juli 2021, Fotoarchiv“ DSA erinnert“
Ich bin gespannt auf den Ort, aber vor allem und ganz besonders freue ich mich auf das persönliche Kennenlernen der Zeitzeugin, Frau Elma Kleinschmidt, denn sie ist der eigentliche Grund meiner Reise nach Neustadt. Die Begegnung mit ihr ist seit Wochen geplant und vorbereitet. Zahlreiche Telefonate und E-Mails wurden ausgetauscht und so entstand bereits eine erste behutsame Annäherung auf die wir beide aufbauen können. Vereinbart wurde ein lebensgeschichtliches Interview mit Frau Elma Kleinschmidt durchzu- führen und aufzuzeichnen. Aus diesem Grund werde ich von Alexander Karamalikis, unserem Kameramann und technischen Assistenten, der aus Athen angeflogen kommt, begleitet.

Bildquelle: Neustadt an der Weinstraße, Juli 2021, Fotoarchiv“ DSA erinnert“
Kontakt zu Frau Kleinschmidt
Dass wir mit Frau Kleinschmidt in Kontakt kamen, war einem seltenem Zufall geschuldet. Im Mai 2021 erhielten wir (das DSA erinnert-Team) eine E-Mail von Frau Carola Kleinschmidt, der Tochter von Frau Elma Kleinschmidt in der sie uns für die historisch sorgfältig recherchierte biographische Darstellung ihres Großvaters Ernst Lichtensteins auf unserer DSA erinnert Website gratulierte und dankte. Das war ein außergewöhnlicher Glücksfall für uns, da wir in unserer Recherche zu Ernst Lichtenstein auch zu Nachkommen und Familienangehörigen geforscht haben, jedoch leider vergeblich. Sofort nahmen wir Verbindung zu Frau Carola Kleinschmidt auf und über sie ergaben sich auch sehr schnell die ersten Kontakte zu Frau Elma Kleinschmidt, der Tochter Ernst Lichtensteins, die im Jahr 1937 in Athen auf die Welt kam, ihre Kindheit bis zum 7.Lebensjahr in dem, von den Deutschen okkupierten Athen verbrachte, den deutschsprachigen Kindergarten der damaligen DSA besuchte und mit sechs Jahren in die Grundschule der DSA eingeschult wurde. Frau Kleinschmidt verfügt, trotz ihres fortgeschrittenen Alters, über sehr präzise Erinnerungen an ihre Kindheit in Griechenland, an ihre Schulzeit und die Schrecken des Krieges, der Hungersnot und an das besetzte Athen.

Bildquelle: Interview mit Frau Kleinschmidt, Neustadt an der Weinstraße, Juli 2021, Fotoarchiv“ DSA erinnert“
Zeitzeugengespräch mit Frau Kleinschmidt
Angekommen in Neustadt erwartete uns Frau Elma Kleinschmidt schon in ihrer Wohnung in einer Reihenhaussiedlung etwas außerhalb des Stadtzentrums und lud uns, in ein nahegelegenes kleines Restaurant zum Essen ein. Frau Kleinschmidt erzählte uns viel von ihrem bewegten Leben, von ihren Eltern, besonders von ihrem Vater, Ernst Lichtenstein, den sie sehr liebte und auch eine innige Beziehung zu ihm pflegte, aber auch von der abenteuerlichen Rückkehr der beiden Kinder mit ihrer Mutter im Sommer 1944 nach Deutschland, vom schrecklichen Schicksal der Angehörigen ihres Vaters, die Opfer des Holocaust wurden, vom Neuanfang der Familie nach der Kapitulation, von ihrer Jugend in Deutschland, dem Medizinstudium und ihrem Beruf als eine der ersten Anästhesistinnen Deutschlands.
Wir einigten uns auf die Durchführung und Aufzeichnung des Interviews für den nächsten Tag.
Frau Elma Kleinschmidt erwies sich als eine sehr eloquente, äußerst interessante Interviewpartnerin, mit sehr präzisen und detaillierten Erinnerungen. Ihre Ausführungen waren gedanklich klar strukturiert, facettenreich und historisch sehr interessant. Die Gesprächsatmosphäre war sehr entspannt, obwohl die gedankliche Reise zurück in die Vergangenheit die Zeitzeugin sichtlich emotional bewegte.
Das Interview dauerte mit einigen Unterbrechungen und Pausen mehr als drei Stunden.

Bildquelle: Interview mit Frau Kleinschmidt, Neustadt an der Weinstraße, Juli 2021, Fotoarchiv“ DSA erinnert“
Wir danken Frau Elma Kleinschmidt, als auch ihrer Tochter ganz herzlich für die Gastfreundschaft und das überaus wertvolle Interview, durch das wir wichtige neue Erkenntnisse über die Schulgeschichte der DSA in der NS-Zeit, das Alltagsleben deutsch-jüdischer Migranten in Griechenland und das bemerkenswerte Leben ihres Vaters, Ernst Lichtenstein erhalten haben.

Bildquelle: Interview mit Frau Kleinschmidt, Neustadt an der Weinstraße, Juli 2021, Fotoarchiv“ DSA erinnert“